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16 Jul. 2001, Schweiz |
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Wie Kopfarbeiter gemanagt werden
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Der BaZ-Gast: Prof. Fredmund Malik |
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Über das Management von Wissen wird seit einiger Zeit viel geredet. Es ist eines der Modethemen der Zeit. Wer modern - oder noch besser postmodern - sein oder als solches angesehen werden will, kommt ohne das Schlagwort vom Wissensmanagement nicht aus. Was man mit Wissensmanagement bisher aber meint, ist wenig überzeugend. Wie soll man sich das Management von Wissen, nicht etwa nur Daten oder Information, in einem einigermassen vernünftigen und auch praktisch brauchbaren Wortsinn vorstellen? Meint man denken? Oder gar nachdenken, meint man überlegen, schlussfolgern, sinnen, wahrnehmen, erkennen, verstehen, begreifen, forschen, entdecken, erfinden, lernen, lehren? Das ist eine Auswahl jener Tätigkeiten, mit denen Menschen bisher ihren jeweiligen Wissensbestand verändert haben. Hinzufügen könnte man auch beobachten, untersuchen, lesen, hören, erinnern, diskutieren. Damit wurde bisher Wissen gewonnen oder erworben, verbessert, erweitert, berichtigt und an andere Menschen weitergegeben. Wenn man das meint, dann soll man es doch auch sagen. Alle diese im Einzelnen sehr verschiedenartigen Tätigkeiten in einem Wort und gar noch in «managen» zusammenzufassen, ist die ultimative Zerstörung jeder Klarheit und Brauchbarkeit sowohl des Begriffes «Wissen» als auch von «Management» und allem, was damit im weitesten Sinne zusammenhängt. Von Wissensmanagement zu reden, ist ungefähr gleich aussagekräftig, wie in Zusammenhang mit der Entstehung oder auch Aufführung einer Beethoven-Symphonie von Sound-Management zu reden oder die Kunst Claude Monets als Pinsel-Management zu bezeichnen. Das würde ebenso deprimierend wenig über Beethoven und Monet, über Musik und Malerei sagen, als es beschämend viel über den Benützer solcher Begriffe sagte. Es gibt keinerlei Möglichkeit, in irgendeinem vernünftigen Wortsinn Wissen als solches zu managen. Was aber möglich und nötig ist und gleichzeitig durch die modernistische Fixierung auf Wissensmanagement übersehen wird, ist das Mangement von Menschen, die mit Wissen arbeiten, also die Kopfarbeiter, wie man sie nennen kann, und ihre eigentliche Tätigkeit, die Kopfarbeit. Kopf- oder Wissensarbeiter sind eine eigentümliche Spezies. Sie unterscheiden sich in fast allem vom bisher dominierenden Typ des Arbeiters, der weniger seinen Kopf als seine Muskeln benötigte, weniger seine intellektuellen Fähigkeiten als seine Geschicklichkeit. Kopfarbeiter sind anders als Handarbeiter, das ist das Wesentliche, das Neue und das Schwierige an der Wissensgesellschaft im Vergleich mit der Industriegesellschaft. Organisatorische Über- und Unterstellung ist bei der Führung von Kopfarbeitern keine relevante Frage. Im entscheidenden Moment ist nicht wesentlich, wer wem unterstellt ist, sondern zu wissen, «wies geht». Zunehmende Spezialisierung in praktisch allen Wissensgebieten bringt es mit sich, dass Chefs ihre Mitarbeiter nicht mehr verstehen, nicht im üblichen Sinne der Kommunikation, sondern im fachlichen Sinne. Was immer der Chef eines Forschungsressorts in der Pharmaindustrie selbst studiert hat, in seiner Abteilung werden ein bis zwei Dutzend Disziplinen vertreten sein, von denen er wenig bis gar keine Kenntnis haben kann. Kopfarbeiter haben spezielle Werte und ein eigenes Selbstverständnis. Sie sind an Karrieren im üblichen Sinne, vor allem an Managementkarrieren, wenig interessiert. Sie wollen fachlich interessante Aufgaben haben. Anerkennung durch einen Chef wird gering geschätzt, ausser er ist selbst Fachmann auf demselben Gebiet. Das Lob von Laien hat kein Gewicht, die Anerkennung durch die Fachwelt zählt. Kopfarbeiter haben keine Angst. Sie fürchten sich nicht vor einem Stellenwechsel und bangen nicht um ihre Existenz. Sie sind vielleicht als Personen nicht sehr selbstbewusst, aber sie wissen, dass sie gebraucht werden, und wenn es nicht in dieser Firma ist, dann eben in einer anderen. Sie arbeiten in ihrem Selbstverständnis im Grunde überhaupt nicht für eine Firma, sondern für ein Fach. Kopfarbeiter müssen in erster Linie geführt werden durch Aufgaben, die ihnen selbst sinnvoll erscheinen. Und darüber hinaus müssen sie sich in erheblichem Masse selbst führen. Sie sind entweder Selbstorganisierer und Selbstmanager - oder sie sind ineffektiv. Das ist das neue Produktivitätsproblem in Wirtschaft und Gesellschaft. Es ist auch ein Loyalitäts- und Stabilitätsproblem.
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Quelle: Basler Zeitung |
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