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Auf dem Weg zu einem europaischen Geschichtsunterricht

Georgien 1993. Es soll ein Beschluss daruber gefast werden, was die Schuler in Zukunft im Fach Geschichte wissen mussen. Die Frage, die die Wissenschaftler r beschaftigt, ist die, ob man sich bei der Vermittlung der Geschichte an der Wahrheit oder am Nationalmythos orientieren solle. Man entscheidet sich fur letzteres.

Ukraine 1996. 19 prominente Historiker alter Pragung haben sich nach vielen Meinungsverschiedenheiten uber die Geschichtsschreibung der Ukraine geeinigt. Niemand darf eine andere Version verbreiten. Es wird ernsthaft in Erwagung gezogen, das alte Propagandasystem in den Zugen einzusetzen, um die neuen historischen Fakten in der Offentlichkeit zu verbreiten.

An beide Ereignisse musste ich denken, als ich begann, meinen Vortrag fur den heutigen Tag vorzubereiten. Von diesen beiden kurzen Anekdoten ausgehend, mochte ich folgende Fragen zur Diskussion stellen:

- Welches Geschichtswissen soll den Schulern in Europa vermittelt werden?

- Warum soll den Schulern gerade dieses Geschichtswissen vermittelt werden?

- Welche Geschichtsschreibung sollen die Schuler kennenlernen?

- Ist es moglich, hieruber zu einem Konsens zu kommen?

- Auf welche Art und Weise kann das im Geschichtsunterricht am besten realisiert werden?

In einer Diktatur scheint es zwar moglich zu sein, einen Konsens daruber zu erreichen, was Schuler wissen mussen, aber in beiden Fallen war der Konsens nur von kurzer Dauer.

So beginnen in Georgien inzwischen jungere Historiker - nach Kontakten mit Kollegen im Westen - daran zu zweifeln, und Ende Oktober wurde auf einer vom Europarat organisierten Konferenz uber kontroverse Themen im Unterricht deutlich, das sich eine Reihe von Historikern aus der West-Ukraine sehr wohl daruber bewust waren, das ihre Haltung hinsichtlich der Beziehungen zu Polen durch ihre eigene nationale Perspektive mitbestimmt war.

Geschichte ist ein interessantes, aber schwieriges Fach, und das gilt ganz besonders fur Geschichte im Schulunterricht. Wahrend meiner Arbeit als Expertin fur den Europarat auf dem Gebiet des Geschichtsunterrichts habe ich den ehemaligen stellvertretenden Leiter der Abteilung Unterricht, Kultur und Sport dieser Organisation, Maitland Stobart, haufig den Ausspruch des franzosischen Schriftstellers Paul Valery zitieren gehort, das "Geschichte das gefahrlichste Produkt ist, das die Chemie des Intellekts entwickelt hat, weil es Nationen bitter, arrogant, unausstehlich und eitel macht."

Welches Geschichtswissen nun Schulern in weiterfuhrenden Schulen vermittelt werden soll, ist eine Frage, die Wissenschaftler und Lehrende uberall in Europa und auch daruber hinaus stellen, die zuweilen aber auch die Medien beschaftigt.

Taucht diese Frage in den Medien auf, so geschieht dies haufig aufgrund einer neuen Studie, die nachgewiesen hat, das Schuler nichts uber unsere Nationalhelden, unser nationales Erbe oder unsere Nationalgeschichte wissen.

Sie ruckt besonders dann in den Vordergrund, wenn es um historische Gedenkfeiern geht. Dann sieht man plotzlich Uberschriften wie "50% der franzosischen Schuler konnen nichts uber die Ereignisse wahrend der Franzosischen Revolution sagen" und "Englische Schuler haben noch nie etwas von Winston Churchill gehort". Es bleibt nicht aus, das der Untergang des Geschichtsunterrichts dann auf Leserbriefseiten, in Kolumnen und Radio- und Fernsehsendungen kurz aber kraftig ausgeschlachtet wird. Im Herbst 1997 hat es hierfur in den Niederlanden wieder einmal ein schones Beispiel gegeben, als sich ein Radiosender anla?lich eines von mir und Marion Kuyper geschriebenen Artikels in Kleio, der Zeitschrift der niederlandischen Geschichts- und Gemeinschaftskundelehrer, fur die Ergebnisse von Youth and History interessierte, einer grossen Umfrage, in der europaische Jugendliche unter anderem zu ihrem Geschichtsbewustsein befragt wurden. Mit einem Mal gab es Zeitungsberichte, wurden Radiointerviews mit Lehrern und Schulern gefuhrt und verschiedene Fachleute befragt, wobei die wenigsten im ubrigen den Artikel wirklich gelesen, geschweige denn das ursprungliche Material gesehen hatten.

Diese Art von "Nachrichten" kann sogar Auswirkungen auf den Geschichtsunterricht haben. So haben die Medien in England im vergangen Jahr Vorschlage fur den Inhalt des Geschichtsunterrichts in der Oberstufe der weiterfuhrenden Schulen, dem sogenannten A-Level, einschneidend beeinflust. Die Leserbriefschreiber waren mit der konservativen Regierung der Meinung, das englische Geschichte in der Oberstufe zum Pflichpruffach werden musse. Und das, obwohl die englische Regional- und Nationalgeschichte fur Schuler im Alter von 5 bis 14 Jahren, die Geschichte als Pflichtfach haben, doch schon rund 80% des Unterichtsstoffes des Faches Geschichte ausmachen.

Nun, da sich die politischen Verhaltnisse in England geandert haben, ist es ubrigens sehr fraglich, ob diese Vorschlage auch tatsachlich ausgefuhrt werden. Die Zusammenstellung des Curriculums fur das Fach Geschichte ist nun einmal stark von der Politik bestimmt.

Planung und Entwicklung des Curriculums, Entwicklung des Lehrplans, das sind Kernbegriffe fur den Unterricht der neunziger Jahre. Eine Diskussion hieruber war, was das Fach Geschichte anbetrifft, in Zentral- und Osteuropa naheliegend.

Der Beginn der Perestroika im Jahre 1985 eroffnete die Moglichkeit, in diesem Fach Anderungen durchzufuhren, war doch Geschichte das am starksten ideologisch gefarbte Fach. Wer Geschichte studierte, dem bluhte stundenlanges Studium des Marxismus-Leninismus, zu dem unter anderem Pflichtfacher wie die Geschichte der Partei und die Geschichte des russischen und des Weltkommunismus gehorten.

Anfanglich glaubte man, es genuge, die ideologisch geladenen Begriffe zu streichen und die sogenannten weissen Flecken zu fullen, jene Themen, die zuvor aus politischen Erwagungen lieber nicht behandelt worden waren. Es stellte sich jedoch schon bald heraus, das das Streichen der Begriffe nicht viel bewirkte, da die gesamte Geschichtsschreibung ideologisch gefarbt war. Die Menschheit bewegte sich mit Hilfe des Klassenkampfes von Revolution zu Revolution. Der Aufstand in den Niederlanden wurde in diesem Rahmen ubrigens als die erste "burgerliche Revolution" dargestellt, mit den Geusen in der Hauptrolle, die in dieser Geschichtsdarstellung Ahnlichkeit sowohl mit Robin Hood als auch mit den Partisanen des Zweiten Weltkrieges aufwiesen. Schlie?lich folgte dann in der kommunistischen Geschichtsdarstellung der Sieg des Kommunismus, der den Kampf gegen den fortwahrend verdorbenen Westen fortsetzte. Auf diese Art und Weise wurde die Geschichte des 20. Jahrhunderts abgehandelt. Bislang ist im ubrigen noch kaum begonnen worden, die Darstellung der jungeren Geschichte neu zu schreiben. Es erweist sich als schwierig, von den alten Werten Abschied zu nehmen.

Nach 1991 beschleunigte sich das Bestreben, die alte Geschichtsdarstellung zu andern. Erst jetzt konnte in den Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes wirklich an einer neuen Nationalgeschichte gearbeitet werden. Die neuen, unabhangigen Staaten standen vor einer noch grosseren Herausforderung. Bis zu jenem Zeitpunkt hatte Moskau die Geschichtsdarstellung der gesamten Sowjet-Union bestimmt. Zwar waren in den verschiedenen Staaten und autonomen Gebieten auf nationaler Ebene Ubersetzungen zugelassen, und es war auch zusatzlicher Unterricht beispielsweise uber die Nationalgeschichte Litauens, Weissrusslands oder Armeniens gestattet, dort horte die Freiheit aber auch schon auf. Von Pskov bis Wladiwostok lernten die Kinder in der ehemaligen Sowjet-Union die gleiche Geschichtsdarstellung.

Nun mu?ten die ortlichen Historiker selbst an die Arbeit. Der Spekulant und Philanthrop George Soros hat uber seine Open Fund Foundations in vielen Landern Wettbewerbe fur das beste Manuskript fur neue Geschichtsbucher ausschreiben lassen. Leider machte man sich in der Regel ans Schreiben dieser Bucher, ohne sich in der Gesellschaft die grundlegenden Fragen gestellt zu haben: Welches Geschichtswissen soll den Schulern an weiterfuhrenden Schulen vermittelt werden? Warum soll den Schulern weiterfuhrender Schulen gerade dieses Geschichtswissen vermittelt werden, und auf welche Art und Weise kann das am besten realisiert werden?

Das Ergebnis lasst sich erraten. Es wurden Bucher von hohem wissenschaftlichem Gehalt ausgewahlt, die sogar fur Schuler von Eliteschulen zu schwierig waren. "Normale" Schuler wurden uberhaupt nicht berucksichtigt. Hierbei mu? bedacht werden, da? Geschichte in Zentral- und Osteuropa wahrend der gesamten Oberstufe Pflichtfach ist: Es besteht also ein Bedarf an Unterrichtsmaterial fur alle Leistungsstufen.

Inzwischen ist in allen diesen Landern die gesellschaftliche und die fachinhaltliche Diskussion uber die Schule in vollem Gange. Die Ausgangspunkte fur den zentral- und osteuropaischen Geschichtsunterricht sind mehr oder weniger die gleichen. Gro?e Bedeutung wird in erster Linie der Rechtfertigung des neuen Staates und der Entwicklung oder Starkung der eigenen Identitat beigemessen. Kaum weniger bedeutsam ist das Erlernen der tatsachlichen Geschichte und das Auffullen der wei?en Fleken in der jungeren Vergangenheit. Aber auch der Aneignung allgemeiner historischer Fahigkeiten wird Aufmerksamkeit gewidmet, wie auch ein Bewusstsein fur die Gegenwart geweckt werden soll.

Die Rechtfertigung des neuen Staates, die Entwicklung oder Starkung der eigenen Identitat und das Erlernen der tatsachlichen Geschichte: das klingt logisch und verstandlich, die Art und Weise der Durchfuhrung stimmt jedoch nicht frohlich. Als die Zeitungen im Oktober 1997 in den Niederlanden so entrustet meldeten, das die niederlandischen Schuler kein ubermassiges Interesse an ihrer nationalen Geschichte haben, war ich hieruber eigentlich eher zufrieden.

Wahrend des ersten Seminars uber die Reform des Geschichtsunterrichts in Georgien, das im September 1997 vom Europarat in Georgien organisiert worden war, ereignete sich ein charakteristischer Zwischenfall. Ein Dozent der Universitat Moskau, der nebenher auch als Herausgeber von Geschichtsschulbuchern in einem kleinen, unabhangigen Moskauer Verlag arbeitete, fuhrte ein Beispiel dafur an, wie die Vergangenheit auf moderne Art und Weise dargestellt werden konnte. Er schlug vor, Oberstufenschuler sowohl in Georgien als auch in Russland einmal uber die Frage nachdenken zu lassen, warum in russischen Lehrbuchern zu lesen stand, die Russen seien um 1800 auf Einladung der georgischen Obrigkeit nach Georgien gekommen, wahrend in georgischen Lehrbuchern stand, das die Russen Georgien als Eroberer betreten hatten.

Die neben mir sitzenden georgischen Historiker wurden ungemein zornig und versicherten mit zitternder Stimme, da? die in den georgischen Lehrbuchern beschriebene Betrachtungsweise die richtige sei. Zwei Tage spater versuchten sie auf der abschliessenden Zusammenkunft, alle Anwesenden, u.a. Teilnehmer aus Armenien, Aserbeidschan, Moldavien und der Turkei, zu uberreden, sich zugunsten der georgischen Haltung auszusprechen.

Im NRC Handelsblad, der fuhrenden Zeitung der Niederlande, hat der Vorsitzende der konservativ-liberalen Partei, Frits Bolkestein, unter der Uberschrift "Erst die Fakten, dann die Themen" am 7. September 1996 den Ansto? zu einer gesellschaftlichen Diskussion in den Niederlanden uber die Bedeutung des Geschichtsunterrichts gegeben. Er pladierte dort fur einen niederlandischen Geschichtsunterricht mit vielen Jahreszahlen und Fakten aus der vaterlandischen Geschichte, denn "wer nichts uber unsere Geschicke in der Vergangenheit wei?, kann nicht bewusst an der heutigen Gesellschaft teilnehmen."

Viele Politiker in Zentral- und Osteuropa teilen diesen Standpunkt. Leider hat diese Form des Geschichtsunterrichts bereits viele Male zu einer einseitigen, exklusiven Interpretation der Vergangenheit gefuhrt, und diese Entwicklung scheint sich in zahlreichen Landern Zentral- und Osteuropas zu wiederholen, wobei Nationalstolz und durchlebtes Leid eine gro?e Rolle spielen. In den zahllosen Konflikten und Kriegen der vergangenen hundert Jahre haben sich die Anfuhrer haufig auf Gefuhle berufen, die eine Folge gekrankten Nationalbewu?tseins waren.

Die Ergebnisse derartigen Denkens sind bereits schmerzlich sichtbar. So wird in den neuen Schulbuchern der baltischen Staaten nahezu jeder auslandische Einflu?, also der deutsche, russische und polnische, mit Ausnahme des schwedischen, der ja zu einem Goldenen Jahrhundert gefuhrt hat, als negative Einmischung dargestellt. In der Tschechischen Republik wird der Holocaust im ersten erneuerten Geschichtsschulbuch fur 14jahrige nicht einmal erwahnt, wahrend er in slowakischen Schulbuchern bagatellisiert wird. In der Slowakei untersagt die Regierung die Veroffentlichung von Schulbuchern, weil dort ihrer Meinung nach zu wenig "slowakischer Geist" vermittelt wird. Russische Schulbucher beschaftigen sich nunmehr in erster Linie mit dem Mittelalter und dem 19. Jahrhundert, weil Russland zu jener Zeit zumindest machtig war. Die neuen Geschichtsbucher in Rumanien beschreiben die Geschichte der Rumanen und nicht die Rumaniens, wodurch wichtige Minderheiten ausgeschlossen werden. Bei der Betrachtung dieser Entwicklung erscheint mir die Ausrichtung des niederlandischen Geschichtsunterrichts auf Europa und die Welt gar nicht so falsch.

Zu welchen Ergebnissen fuhren aber nun alle diese Diskussionen uber die Fragen: Welches Geschichtswissen soll den Schulern an weiterfuhrenden Schulen vermittelt werden? Warum soll den Schulern weiterfuhrender Schulen gerade dieses Geschichtswissen vermittelt werden, und auf welche Art und Weise kann das am besten realisiert werden? Zu Hunderten von Curricula und Lehrplanen fur den Geschichtsunterricht in Europa. Alleine in Deutschland gibt es bereits an die 80 verschiedene Lehrplane fur Geschichte, ist doch jedes Bundesland fur seine eigenen Schulen verantwortlich.

1995 hat der deutsche Geschichtslehrerverband alle diese Lehrplane nebeneinander gelegt und einen Rahmen entworfen, in den der Inhalt dieser Lehrplane eingebracht werden konnte. Bei dieser Untersuchung wurden die padagogischen Zielsetzungen au?er Betracht gelassen. Die Untersuchung prasentiert ein lehrreiches und zuweilen amusantes Bild. Auf der einen Seite gibt es gro?e Unterschiede zwischen den einzelnen Lehrplanen, fast man die Themen jedoch kurz zusammen, so stellt sich heraus, das sie einander doch alle ahneln. Manche Themen lassen auch der Phantasie viel Raum. Was soll man halten von Themen wie Kampf und Freiheit - Pulverfas Europa oder sogar Raumschiff Erde?

Die Themen uber das 20. Jahrhundert sind interessanterweise uberall mehr oder weniger die gleichen. Das trifft nicht nur auf Deutschland, sondern eigentlich auf ganz Europa zu.Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, das die beiden Weltkriege, der Kalte Krieg, die Diktaturen Hitlers, Stalins und Mussolinis sowie die Dekolonisation fur Oberstufenschuler in Europa zum Pflichtprogramm gehoren. Geschichte in der Schule ist und bleibt eine ernste Angelegenheit.

Auf ihrer Zusammenkunft in Wien im Oktober 1991 hatten es die Unterrichtsminister der Mitgliedslander des Europarats gerne gesehen, wenn der Schulunterricht zu einem besseren Verstandnis der europaischen Volker untereinander fuhren wurde. Darum strebten sie an, da? im Geschichtsunterricht ein starkerer Akzent auf die "gegenseitige positive Beeinflussung" der Lander Europas gelegt werden solle. Wer einen europaweiten Uberblick uber die Lehrplane und das darauf beruhende Unterrichtsmaterial uber das 20. Jahrhundert hat, mu? zu der Feststellung gelangen, da? dies fur den heutigen Geschichtsunterricht vorlaufig ein frommer Wunsch bleibt.

Heisst das nun, das uberall das gleiche unterrichtet wird? Keineswegs. 1995 organisierte EUROCLIO ihre Jahreskonferenz in Berlin unter dem Thema "Unterricht uber die Potsdamer Konferenz und ihre Folgen". Es stellte sich wahrend dieses Seminars heraus, das das Thema, obgleich es wirklich von europaischer Dimension war, in den verschiedenen Landern aus einer stark nationalen Perspektive unterrichtet wurde. So wurde in Grossbritannien vorzugsweise die polnische Frage behandelt, wahrend in Russland der Gewinn des Krieges und die Notwendigkeit von Reparationszahlungen fur die enormen Schaden dieses Krieges an erster Stelle standen. In Deutschland bedeutete Potsdam vor allen Dingen den Beginn der alliierten Besatzung und in Frankreich wurde der Tatsache, das die Franzosen nicht am Verhandlungstisch sitzen durften, besondere Aufmerksamkeit gewidmet. In den alten sowjetischen Lehrbuchern war die Konferenz ein Beispiel fur die gute Zusammenarbeit zwischen den Alliierten, ohne einen einzigen Hinweis auf den Kalten Krieg. Auf der anderen Seite wurde in den meisten Buchern in Westeuropa der Entschluss des US-amerikanischen Prasidenten Truman, die Atombombe einzusetzen, als ein Beweis fur die zunehmende Spannung zwischen Ost und West gesehen. Bemerkenswert war, das spanische Schuler im Unterricht ubrigens kaum etwas uber diese Konferenz erfahren.

Ein Konsens uber ein europaisches historisches Thema bedeutet also nicht, da? in allen Landern das gleiche unterrichtet wird. Es kann allerdings festgestellt werden, das sich ein europaischer Konsens uber die wichtigsten Ziele des modernen Geschichtsunterrichts zu entwickeln scheint. Dieser Unterricht soll beitragen zu:

Kenntnissen uber und Einsicht in die Vergangenheit

Verstandnis fur die Gegenwart

Anbieten einer Orientierung fur die Zukunft.

Dieser Ansatz wird in Deutschland und den skandinavischen Landern das Erlernen von historischem Bewusstsein genannt, tatsachlich trifft man jedoch in nahezu allen modernen Geschichtscurricula auf diese Ausgangspunkte.

Weiterhin kann festgestellt werden, da? die Lehrplane in Europa fur den gesamten Zeitraum des Oberstufenunterrichts - und dies trifft auch auf die Niederlande zu - von einer chronologisch/thematischen Auswahl ausgehen, also vom Altertum bis zur Gegenwart. In der Auslegung gibt es hier und da jedoch betrachtliche Abweichungen. In Gro?britannien sieht die Umsetzung beispielsweise wie folgt aus: Roman Britain, Medieval Realms in Britain, Civil Wars in Britain und Britain during the World Wars.

Die Auswahl der Curricula in Europa wird von vielen Faktoren bestimmt: Der Zahl der verfugbaren Geschichtsstunden, der Zeit, die fur bestimmte Perioden aufgewendet werden kann, dem Alter der Schuler, der Begabung der Schuler; es spielen aber auch auf den Nageln brennende Fragen in der nationalen und der internationalen Gesellschaft eine wichtige Rolle.

Die Zahl der fur das Fach Geschichte zur Verfugung stehenden Unterrichtsstunden ist in Europa sehr unterschiedlich. Die Niederlande mussen gemeinsam mit Gro?britannien mit der geringsten Zahl der Unterrichtsstunden im Fach Geschichte auskommen. In Deutschland hingegen ist Geschichte im gro?en und ganzen fur alle Schuler in der gesamten Mittelstufe Pflichtfach. In den Niederlanden wird ubrigens uberhaupt nicht mit einer Pflichtstundentabelle gearbeitet. Das Unterrichtsministerium stellt Tabellen mit Empfehlungen auf und uberla?t den Schulen die Auslegung. Die Zahl der Geschichtsstunden hat Einfluss auf die Menge des Unterrichtsstoffes, da Erklaren, Lernen und Verarbeiten des Gebotenen eine angemessene Zeit beanspruchen.

Bei der Zeit, die an Schulen fur bestimmte Perioden aufgewendet wird, kann es erhebliche Unterschiede geben. In Italien hat man sich beispielsweise bis 1997 hochstens funf Monate lang mit dem 20. Jahrhundert beschaftigt; seit 1997 muss das letzte Jahr des Oberstufenunterrichts ganz dem 20. Jahrhundert vorbehalten sein.

Im vergangenen Jahr erhielt ich anla?lich der jungsten Entwicklungen im italienischen Geschichtsunterricht einen sehr bosen Brief einer Lehrerein aus Pistoia. Sie beschuldigte den kommunistischen Unterrichtsminister Berlinguer der Propaganda und Indoktrination, da, wie sie schrieb, nunmehr der "Mythologie der Resistenza und der Kommunistischen Partei, die alleine fur die Befreiung Italiens und der Sowjetunion unter Stalin verantwortlich sein solle", Aufmerksamkeit geschenkt werden musse, mit der Folge, das viele gute alte Themen nicht mehr an die Reihe kamen. Die jungste Vergangenheit war und ist in Italien noch immer etwas problematisch.

Auch das Alter der Schuler hat naturlich Einflus auf die Auswahl des Stoffes. In den meisten Landern wird Geschichte ab dem 9. oder 10. Lebensjahr unterrichtet, wohingegen in Grossbritannien in diesem Jahr mit dem Geschichtsunterricht fur Funfjahrige begonnen worden ist. Zwar ist der Unterricht beispielsweise uber die Palastinenserfrage oder die Dekolonisierung wichtig, man kann jedoch von den Lehrern nicht erwarten, das sie Zehnjahrige in solchen Themen angemessen unterrichten konnen.

Die Begabung der Schuler spielt eine ebensogrosse Rolle. Ein Teil der Schuler landet schliesslich auf der Universitat oder Hochschule. Die Frage ist jedoch, welcher Lehrstoff fur diejenigen Schuler ausgewahlt wird, die geringere intellektuelle Fahigkeiten haben.

Fur die Auswahl des Lehrstoffs sind auch brennende Fragen hinsichtlich der nationalen und internationalen Gesellschaft von grosser Bedeutung. Einige Dinge werden verschwiegen, andere vorrangig behandelt. Anschauliche Beispiele hierfur sind das Dritte Reich fur Deutschland, der Verlust und die Wiedererlangung der Unabhangigkeit fur Polen, der Burgerkrieg fur Spanien und die Entwicklungen in Indonesien fur die Niederlande. Der nationale Bezug zu derartigen brennenden Fragen hat auf jeden Geschichtslehrplan in Europa Einfluss.

Zu diesen Fragen gehoren nicht selten auch nationale Empfindlichkeiten, die wahrend der Geschichtsstunden nicht oder nur mit Muhe gestreift werden konnen. Es ist beispielsweise bemerkenswert, da? in der Schweiz die franzosischsprachigen Geschichtsschulbucher die Schweiz im Kapitel uber den Zweiten Weltkrieg weder behandeln noch erwahnen. Das neue Standardwerk uber die Geschichte Georgiens hort - abgesehen von einigen Seiten uber die Entwicklungen nach 1991 - mit dem Jahr 1921 auf. Und lange Zeit wurde der indonesische Unabhangigkeitskampf in niederlandischen Buchern nur am Rande abgehandelt.

Dimensionen wie die "Arten von Geschichte", also politische, soziale, okonomische und kulturelle Geschichte, das Verhaltnis zwischen lokaler, nationaler, europaischer und Weltgeschichte und Elemente wie Multikulturalitat und Geschlecht spielen uberall in gleicher Weise eine Rolle.

Es kann die Schlussfolgerung gezogen werden, das es aufgrund der ubergrossen Stoffulle in der Geschichte unvermeidlich ist, eine Auswahl zu treffen. Dies fuhrt zu interessanten Unterschieden zwischen den vielen Lehrplanen. Die Auswahl vieler Curricula ist im ubrigen durchaus sinnvoll. Es lasst sich sehr gut nachvollziehen, warum in einem Land die Oberstufenschuler gerade dieses historische Wissen erlernen mussen, wahrend es sich anderswo wieder ganz anders verhalt.

Man mu? sich fragen, ob bei den Diskussionen uber die Auswahl des Lehrstoffs, wenn also bestimmt wird, was die Schuler kennen und konnen mussen, nicht auch die Wunsche unserer Schuler berucksichtigt werden mussen. Youth and History, die vergleichende Untersuchung unter Jugendlichen in Europa uber das Interesse an der Geschichte, das historische Bewusstsein und die Erfahrungen im Geschichtsunterricht, kann einige Aufschlusse daruber geben, was unsere Funfzehnjahrigen interessant und wichtig finden.

Bei dieser Untersuchung wurde gefragt, welche historischen Perioden die Schuler wichtig finden. Die Ergebnisse zeigen, das die euopaische Jugend der modernen Geschichte, und hier besonders den Entwicklungen nach 1945, deutlich den Vorzug gibt.

Welche historischen Themen sie schatzten, hing unter anderem auch vom Geschlecht ab. Madchen hatten eine Vorliebe fur die Geschichte des taglichen Lebens, Konige und Koniginnen und Familiengeschichte, wahrend Jungen lieber etwas uber Krieg oder spezielle Themen wie Autos und Sport horen.

In diesem Vortrag sind bislang letztendlich nur die Fragen

- Welches Geschichtswissen soll den Schulern in Europa vermittelt werden?

- Warum soll den Schulern gerade dieses Geschichtswissen vermittelt werden?

- Welche Geschichtsschreibung sollen die Schuler kennenlernen?

- Ist es moglich, hieruber zu einem Konsens zu kommen?

behandelt worden. Die Frage, auf welche Art und Weise dies am Besten erreicht werden kann, wurde noch nicht zur Diskussion gestellt.

Es wurde zu weit fuhren, an dieser Stelle noch ausfuhrlich auf diese Frage einzugehen, in Youth and History finden sich jedoch auch hieruber interessante Informationen. Die Schuler in Europa besuchen gerne Museen, sie finden es gut, wenn im Unterricht audiovisuelle Mittel eingesetzt werden, sie beteiligen sich gerne an historischen Rollenspielen, schatzen aber auch einen Lehrer, der ihnen etwas erzahlt. Mit anderen Worten, ein Unterricht mit unterschiedlichen Lehrstilen gefallt den Schulern am besten.

Die moderneren Unterrichtsmethoden erfordern aber auch mehr Zeit als simples Erzahlen, und das bringt uns wieder zu dem Problem der notwendigen Auswahl beim Geschichtswissen.

Eine Tatsache, die durch die Untersuchung Youth and History deutlich wurde, mochte ich nicht verschweigen: Geschichtslehrer machen ihre Sache eigentlich ziemlich gut. Wurde der durchschnittliche Lehrer in den Niederlanden bei einer kurzlich von der "Organisatie van leerlingen in het middelbaar onderwijs" durchgefuhrten Untersuchung mit 5.9 benotet, so erhielt der niederlandische Geschichtslehrer von den in Youth and History befragten niederlandischen Schulern eine 7+.. Damit standen die niederlandischen Lehrer auf der gleichen Ebene wie ihre Kollegen in Flandern, Danemark, England und Deutschland.

Zum Schlu? meines Vortrages mochte ich gerne noch einmal die Fragen wiederholen und diese noch einmal kurz beantworten.

- Welches Geschichtswissen soll den Schulern in Europa vermittelt werden?

Das hangt sehr von der nationalen Perspektive und den Prioritaten in der Gesellschaft ab. Fur den Geschichtsunterricht des 21. Jahrhunderts wird eine global society diese Auswahl immer mehr beeinflussen.

- Warum soll den Schulern gerade dieses Geschichtswissen vermittelt werden?

Die Gesellschaft und das Schulwesen werden diese Frage immer wieder diskutieren mussen. Wenn europaische Curricula die "Sicht auf die heutige Zeit" oder "Verdeutlichung des Daseins" als wichtigstes Ziel nennen, so ist klar, da? eine europaische oder sogar weltweite Dimension unverzichtbar ist.

- Welche Geschichtsschreibung sollen die Schuler kennenlernen?

Es ist wichtig daruber nachzudenken, auf welche Art und Weise der Geschichtsunterricht zu gegenseitigem Unverstandnis beitragt und inwieweit er zu gegenseitigem Verstandnis beitragen konnte. Es mu? das Bestreben des Geschichtsunterrichts in Europa sein, bei Jugendlichen eine ausgewogenes Bild der Vergangenheit zu schaffen.

- Ist es moglich, hieruber zu einem Konsens zu kommen?

Nein, aber eine standige Diskussion ist sehr wichtig. EUROCLIO hat zum Ziel, diese fortwahrende Debatte am Leben zu erhalten.

- Auf welche Art und Weise kann das im Geschichtsunterricht am besten realisiert werden?

Indem man eine Vielzahl von Lehrstilen anbietet, die darauf ausgerichtet sind, die Jugendlichen mit kritischem Urteilsvermogen auszurusten, damit sie ihre heutige Existenz verstehen und der Zukunft ins Auge sehen konnen.

Geschichte im Schulunterricht in Europa ist ein fesselndes Thema. Die Diskussion uber die Auswahl des Lehrstoffs bietet interessante Gesichtspunkte, es darf jedoch nicht erwartet werden, das sie jemals zu endgultigen Schlu?folgerungen fuhren wird. Hierfur spiegelt der Geschichtsunterricht viel zu sehr die jeweilige Zeit wider.

Joke van der Leeuw-Roord

Last updated 9 September 1998


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