Nationaler Sozialismus gegen internationalen Kapitalismus, RAINER ERNST SCHÜTZ GASTKOMMENTAR Genua: Nationaler Sozialismus gegen internationalen Kapitalismus Der Autor ist Präsident des Clubs unabhängiger Liberaler. Nur Menschen, die hartnäckig dem Gestern verhaftet sind und äußeren Erscheinungsbildern mehr Gewicht als dahinter stehender Ideologie beimessen, haben die Wiederkehr der Gefahren der Nazi-Ideologie in Form eines schnurrbärtigen Bösewichts in brauner Uniform erwartet. Niemand soll die Nazi-Ideologie verharmlosen, daß er sagt, ohne Holocaust wäre der Nationalsozialismus eine ordentliche Sache gewesen. Das war er eben nicht. Er war menschenverachtend, extrem gewaltbereit, und zerstörte das Rechtssystem. Seine wirtschaftspolitischen Hauptthesen waren: Wir können uns nicht um die ganze Welt kümmern, also kümmern wir uns um unser Land (national); Gemeinnutz geht vor Eigennutz (Sozialismus); und internationale Konzerne, die sich unserer Ideologie nicht unterwerfen, sind unser Feind (jüdisch-kapitalistische Weltverschwörung). Was sahen wir in Genua? Neben einer Mehrheit friedlicher Demonstranten eine Gruppe extrem Gewaltbereiter. Im klaren Gegensatz zur Forderung der Mehrheit, man müsse etwas für die Ärmsten der Welt tun, forderten sie ein Ende der Globalisierung zum Schutze ihrer Arbeitsplätze. Der bei den Zusammenstößen getötete italienische Demonstrant ist ein klassisches Beispiel: Er stammt aus einer Gewerkschafter-Familie. Nach italienischen Verhältnissen gewiß eine Familie _ verglichen mit den Ärmsten der Welt _ in beträchtlichem Wohlstand. Er konnte natürlich nicht für die Ärmsten der Welt demonstrieren, sondern tat dies gegen die Konkurrenz der Dritten Welt auf dem Arbeitsmarkt. Was heißt das? Das heißt, er vertrat eine Ideologie, die dafür eintritt, lieber Arbeitsplätze in der Dritten Welt zu opfern als im eigenen Land (national) und die das Unheil in Gestalt internationaler Konzerne sieht. Natürlich versteht sie sich als sozialistisch, wie leicht an den mitgeführten roten Fahnen erkennbar. Nun gewinnen die Bewohner der Dritten Welt erst durch die Globalisierung einen Zipfel des Zugangs zur Weltwirtschaft. Im demonstrativen Ignorieren ihres Schicksals steckt wohl ein gerüttelt Maß an verborgenem Rassismus. Nein, braune Uniformen tragen sie nicht, auch keine Schnurrbärte. Sie werfen Steine und Molotow-Cocktails. Und von den Menschenrechten kennen sie nur so viel, wie sie selbst beanspruchen, aber nichts, was sie einzuhalten hätten. Wie sehr sich doch die Bilder ähneln. Und die zum Teil über die Gewaltausbrüche fassungslosen friedlichen Demonstranten? Die für ein besseres Schicksal der Ärmsten dieser Welt demonstrieren wollten? Sich eine andere Welt zu wünschen, hat Tradition. Trotz Bergpredigt und Nadelöhr-Gleichnis hat selbst eine so einflußreiche Organisation, wie es die Kirche in zweitausend Jahren war, die Welt nicht zur Stätte des Altruismus umgeformt. Es darf bemerkt werden, daß von den vielen Milliarden, die der sogenannte kapitalistische Westen Ländern der Dritten Welt unter verschiedenen Titeln zukommen läßt, kein einziger Groschen gezahlt werden könnte, lebten alle dem Franziskanischen Ideal der völligen Anspruchslosigkeit nach. Viele Wünsche, die in Genua aus verständlichen Motiven (sozialen, ökologischen) formuliert wurden, lassen sich nur mit einer weltweiten Diktatur verwirklichen; das ist glücklicherweise nicht zu erwarten. Bleibt nur, die Forderungen nach konstruktiven Vorschlägen zu durchsuchen. Es werden nicht viele sein. Wer sich die Welt anders wünscht, wird seit Jahrtausenden enttäuscht. Die restlichen 99 Prozent der Menschheit müssen indes sehen, wie sie die Herausforderung der Globalisierung bestehen, gerade als Chance für die Dritte Welt.